Mund-Nasen-Bedeckung auch auf öffentlichen Wegen, Straßen und Plätzen: Allgemeinverfügung zum Zwecke der Verhütung und Bekämpfung der Ausbreitung des Coronavirus

Der Landkreis Ostprignitz-Ruppin hat eine Allgemeinverfügung erlassen, die das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung auf öffentlichen Wegen, Straßen und Plätzen vorsieht, wenn dort der Mindestabstand von 1,5 Metern nicht eingehalten werden kann. Dies gilt insbesondere für Wochenmärkte. Der genaue Passus lautet wie folgt:

„Auf öffentlichen Wegen, Straßen und Plätzen, insbesondere an Markttagen auf Marktplätzen (Wochenmärkten), auf denen der Mindestabstand von 1,5 Metern durch einen erheblichen Teil der anwesenden Personen nicht eingehalten wird oder aufgrund der räumlichen Verhältnisse oder der Anzahl der anwesenden Personen nicht eingehalten werden kann, ist im gesamten Landkreis eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen.“

Mit der Allgemeinverfügung setzt der Landkreis die am Montag in Kraft getretene neue SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung des Landes Brandenburg um, die den Erlass einer solchen Verfügung durch die Landkreise und kreisfreien Städte in Brandenburg vorsieht. Die Allgemeinverfügung gilt ab Mittwoch, 4. November, bis einschließlich 30. November 2020.

Allgemeinverfügung zum Zwecke der Verhütung und Bekämpfung der Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 aufgrund erhöhter Infektionszahlen Gemäß § 28 Absatz 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG) in Verbindung mit § 24 Absatz 2 der Verordnung über befristete Eindämmungsmaßnahmen aufgrund des SARS-CoV-2-Virus
und COVID-19 im Land Brandenburg (SARS-CoV-2 Eindämmungsverordnung – SARS-CoV2-EindV) vom 30. Oktober 2020 (GVBl. II/20, Nr. 103) wird folgende Allgemeinverfügung erlassen:

I. Weitere Maßnahmen des Landkreises nach § 24 Absatz 2 SARS-CoV-2-EindV

Ausweitung der Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung

Auf öffentlichen Wegen, Straßen und Plätzen, insbesondere an Markttagen auf Marktplätzen (Wochenmärkten), auf denen der Mindestabstand von 1,5 Metern durch einen erheblichen Teil der anwesenden Personen nicht eingehalten wird oder aufgrund der räumlichen Verhältnisse oder der Anzahl der anwesenden Personen nicht eingehalten werden kann, ist im gesamten Landkreis eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen. Die Ausnahmen nach § 2 Absatz 1 SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung bleiben davon unberührt. Soweit sich aus der SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung weitergehende Einschränkungen ergeben, gehen diese der Allgemeinverfügung vor.

II. Die Allgemeinverfügung ist kraft Gesetzes sofort vollziehbar nach § 28 Absatz 3 IfSG in Verbindung mit § 16 Absatz 8 IfSG.

III. Auf die Bußgeld- und Strafvorschriften der §§ 73 ff IfSG wird hingewiesen.

IV. Diese Allgemeinverfügung gilt am Tage nach der Veröffentlichung in der Märkischen Allgemeine – Lokalausgaben: Ruppiner Tageblatt, Kyritzer Tageblatt und Dosse-Kurier sowie im Ruppiner Anzeiger als bekannt gegeben und tritt damit in Kraft. Sie gilt ab dem 04. November 2020 bis zum Ablauf des 30. November 2020.

Begründung:

Werden Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt, so trifft der Landrat als zuständige Behörde nach der Verordnung zur Regelung von Zuständigkeiten und zur Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen nach dem Infektionsschutzgesetz (Infektionsschutzzuständigkeitsverordnung – IfSZV) die nach § 28 Absatz 1 Satz 1 IfSG notwendigen Schutzmaßnahmen, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist.
Die Landkreise und kreisfreien Städte sollen im Wege einer Allgemeinverfügung die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung auf denjenigen öffentlichen Wegen, Straßen und Plätzen anordnen, auf denen der Mindestabstand von 1,5 Metern durch einen erheblichen
Teil der anwesenden Personen nicht eingehalten wird oder aufgrund der räumlichen Verhältnisse oder der Anzahl der anwesenden Personen nicht eingehalten werden kann, § 24 Absatz 2 SARS-Co-2-EindV.
Laut Veröffentlichung des Landesamtes für Arbeitsschutz, Verbraucherschutz und Gesundheit vom 28. Oktober 2020 (08:30 Uhr) ist die Zahl der Neuinfektionen mit dem SARS-CoV2-Virus innerhalb der letzten sieben Tage im Landkreis Ostprignitz-Ruppin erstmals auf mehr
als 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohnerinnen und Einwohnern gestiegen. Bis zum heutigen Tage ist dieser Grenzwert deutlich überschritten. Das Infektionsgeschehen im Landkreis Ostprignitz-Ruppin ist nicht ausschließlich auf lokale Ausbrüche oder auf bestimmte
Einrichtungen einzugrenzen. Aktuell besteht im Landkreis Ostprignitz-Ruppin eine ernst zu nehmende Situation, insbesondere für die Belastung des öffentlichen Gesundheitswesens. Die Ansteckungsgefahr des
Virus ist weiterhin hoch. Im Zusammenhang mit der durch den Krankheitserreger SARSCoV-2 ausgelösten Erkrankung COVID-19 ist es weltweit in einem nennenswerten Umfang bereits zu schwereren oder (trotz Behandlung/Beatmung) sogar tödlichen Verläufen gekommen. Ferner sind Spätfolgen selbst bei einem symptomfreien Verlauf der Erkrankung aktuell noch nicht vorhersehbar. Es gibt ernstzunehmende Hinweise auf mögliche gravierende Spätfolgen (dauerhafte Schädigungen der Lunge, des Herz-Kreislauf-Systems sowie Störungen im neurologischen Bereich) einer überstandenen schweren COVID-19-Erkrankung. Die Ausbreitung des Coronavirus (SARS-CoV-2) ist von der WHO als Pandemie eingestuft
worden. Sie erfolgt immer noch sehr dynamisch. In kurzer Zeit ist weltweit ein starker Anstieg der infizierten Personen zu verzeichnen gewesen. Dies auch deshalb, da die Erkrankung COVID-19 in den meisten Fällen als grippaler Infekt verläuft und von einem Schnupfen oder einer echten Grippe (Influenza) klinisch nicht zu unterscheiden ist. Das hohe Übertragungsrisiko, das von dem Coronavirus (SARS-CoV-2) ausgeht, kann sich schon aufgrund der Nähe zu der infizierten Person realisieren. Die Gefährdung für die Bevölkerung wird vom Robert Koch-Institut nach wie vor als hoch eingeschätzt, für Risikogruppen sogar als sehr hoch. Aktuell steht noch kein Impfstoff zum Schutz vor COVID-19 zur Verfügung.
Der Landkreis Ostprignitz-Ruppin ist daher verpflichtet, weitere Schutzmaßnahmen in Ergänzung der SARS-CoV-2 Eindämmungsverordnung anzuordnen. Die Pflicht zum Tragen
einer Mund-Nasen-Bedeckung gilt überall dort, wo Menschen auf öffentlichen Wegen, Straßen und Plätzen dichter bzw. länger zusammenkommen und der Mindestabstand von 1,5 Metern durch einen erheblichen Teil der anwesenden Personen nicht eingehalten wird (z. B.
stark frequentierte Fußgängerzonen und Einkaufsstraßen oder Wochenmärkte) oder aufgrund der räumlichen Verhältnisse oder der Anzahl der anwesenden Personen nicht eingehalten werden kann (z. B. bei einem erhöhten Personenaufkommen oder längeren Aufenthalten einer Vielzahl von Personen infolge besonderer Anlässe). Die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung beruht im Wesentlichen auf der
Grundannahme, dass sich das Coronavirus (SARS-CoV-2) nach derzeitigen Erkenntnissen bei direkten persönlichen Kontakten im Wege einer Tröpfcheninfektion oder über Aerosole besonders leicht von Mensch zu Mensch verbreitet. Bereits 1 – 3 Tage vor Auftreten der Krankheitssymptome bei Infizierten kann es zu einer Ausscheidung von hohen Virusmengen kommen. Das Tragen von einer (Alltags-)Maske ist eine Maßnahme, die insbesondere auch die Übertragung von (noch) nicht erkannten Infektionen verhindert, vgl. Robert Koch-Institut, SARS-CoV-2 Steckbrief zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19), abrufbar unter: https://www.rki.de /DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html Stand: 18.
September 2020. Die Mund-Nasen-Bedeckung kann eine Filterwirkung auf feine Tröpfchen und Partikel entfalten, die als Fremdschutz zu einer Reduzierung der Ausscheidung von Atemwegsviren über
die Ausatemluft führen kann. Hierdurch erscheint es wiederum möglich, dass ihr Tragen einen Beitrag zur weiteren Verlangsamung der Ausbreitung des von Mensch zu Mensch über- tragbaren Coronavirus leistet. Diese Beurteilung wird nicht durch den Umstand in Frage gestellt, dass das Robert Koch-Institut zu Beginn der Pandemie noch keine allgemeine Empfehlung zum Tragen einer Maske abgegeben und mitgeteilt hatte, es gebe keine hinreichende Evidenz dafür, dass der Mund-Nasen-Schutz das Risiko einer Ansteckung für eine gesunde Person, die ihn trage, signifikant verringere. Diese Einschätzung über die Schutzwirkung sog. Behelfsmasken steht zu der jetzigen Empfehlung nicht im Widerspruch, die anders
als zunächst den Fokus nicht in erster Linie auf den Aspekt des Eigenschutzes richtet, sondern vorrangig den Gesichtspunkt des Fremdschutzes in den Blick nimmt. Die Neubewertung von Schutzmaßnahmen, auch unter Berücksichtigung neuer Erkenntnisse über das Virus, ist notwendiger Bestandteil eines wissenschaftlichen Diskurses. Der Einschätzung des Robert Koch-Instituts steht auch nicht entgegen, dass es unter der Vielzahl wissenschaftlicher Meinungen andere Stimmen gibt, die die Wirksamkeit einer einfachen Mund-Nasen Bedeckung gänzlich verneinen. Im Übrigen ist anerkannt, dass der Einschätzung des Robert
Koch-Instituts nach dem in den einschlägigen Regelungen im Infektionsschutzgesetz (vgl. §4 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 Nr. 1 IfSG) zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers im Bereich des Infektionsschutzes besonderes Gewicht zukommt. vgl. OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 29. Juli 2020 – 13 B 792/20.NE – juris Rn. 64 – 66. Die Allgemeinverfügung stellt eine notwendige und verhältnismäßige Schutzmaßnahme im Sinne des IfSG dar. Das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung ist geeignet, die Wahrscheinlichkeit der Übertragung einer (noch unerkannten) Infektion auf weitere Personen zu reduzieren. Damit dient die Verpflichtung dem Zweck, weitere Infektionen mit dem Coronavirus zu vermeiden und die Ausbreitung der Krankheit »Covid-19« jedenfalls zu verlangsamen. Insbesondere auf Märkten kommt es in den engen Bereichen zwischen den einzelnen Marktständen häufig zu kleinen Ansammlungen und Stauungen, so dass der notwendige Abstand zu anderen Personen nicht eingehalten werden kann und die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung ohne eine Mund-Nasen-Bedeckung deutlich ansteigt. Das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung ist darüber hinaus auch erforderlich. Eine Inanspruchnahme nur derjenigen, die als Infizierte die Krankheit aktiv übertragen könnten, scheidet aufgrund der medizinischen Faktenlage aus, weil eine Weiterverbreitung bereits zu einem Zeitpunkt einsetzt, an dem die Betroffenen von ihrer Infektion selbst keine Kenntnis haben; erst recht fehlen der Behörde die diesbezüglichen Kenntnisse. Der mit dieser Anordnung, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, verbundene Eingriff ist auch angemessen. Die Anordnung weiterer Maßnahmen erfolgt in Abwägung des individuellen Interesses des Einzelnen von weiteren Einschränkungen, die mit der Verhütung und Bekämpfung der Ausbreitung des Coronavirus einhergehen, verschont zu bleiben mit dem öffentlichen Interesse des Schutzes der Bevölkerung vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus (SARS-CoV-2). Mit Blick auf das überragende Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit
(Art. 2 Absatz 2 Satz 1 Grundgesetz – GG) hat die Verhinderung der Ausbreitung dieses Virus aufgrund der möglichen schwerwiegenden Folgen einer Erkrankung – zu den Einzelheiten vgl. www.infektionsschutz.de/coronavirus-2019-ncov.html (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung) und www.rki.de/covid-19 (Robert Koch-Institut) – Priorität vor etwaigen Individualinteressen. Dem liegt die, insbesondere in § 1 der Verordnung über die Ausdehnung der Meldepflicht nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 und § 7 Absatz 1 Satz 1 des
Infektionsschutzgesetzes auf Infektionen mit dem erstmals im Dezember 2019 in Wuhan/Volksrepublik China aufgetretenen neuartigen Coronavirus (“2019-nCoV”) und § 28 Absatz 1 Satz 1 IfSG, zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Wertung zu Grunde, dass der Schutz der Bevölkerung vor einer Verbreitung des Coronavirus besonderer Aufmerksamkeit und Eingriffsinstrumente bedarf. Der Schutz der höherwertigen Rechtsgüter wie Leben, Leib und Gesundheit der Bevölkerung nach Art. 2 Absatz 2 Satz 1 GG genießt hier Vorrang. Das Recht auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Absatz 2 Satz 1 GG beinhaltet auch die staatliche Pflicht, sich schützend und fördernd vor die in ihm genannten Rechtsgüter Leben und körperliche Unversehrtheit zu stellen. Damit wird u. a. der Schutz vor allen Einwirkungen, die die menschliche Gesundheit im biologisch-physiologischen Sinne beeinträchtigen, gewährleistet,
vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 14. Januar 1981, Az. 1 BvR 612/72. Dem Nutzen der Maßnahme, mögliche Infektionen zu verhindern und die Ausbreitung des Coronavirus damit zumindest zu verlangsamen, steht eine nur geringfügige Einschränkung gegenüber. Die Handlungsfreiheit des Einzelnen wird mit dieser Allgemeinverfügung nicht
durch konkrete Verbote beschränkt, es besteht einzig das Gebot, in bestimmten Bereichen eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen. Zudem wird den Interessen des Einzelnen durch die zeitliche Begrenzung der Allgemeinverfügung so weit wie möglich Rechnung getragen.

Rechtsbehelfsbelehrung

Gegen diese Allgemeinverfügung kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch erhoben werden. Der Widerspruch ist schriftlich oder zur Niederschrift beim Landrat
des Landkreises Ostprignitz-Ruppin, Virchowstraße 14-16 in 16816 Neuruppin, einzulegen. Gemäß § 28 Absatz 3 in Verbindung mit § 16 Absatz 8 IfSG haben Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung.

Neuruppin, den 02. November 2020

Ralf Reinhardt
Landrat

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